Für die letzte Ausgabe der Bütis Woche in diesem Jahr möchte ich einen Artikel von mir zur Europäischen Wirtschaftssicherheitsstrategie teilen, der diese Woche im Audit Quarterly Magazin erschienen ist:
“It’s economic security, stupid!”
Im Europäischen Parlament in Brüssel gab es diese Woche keine Sitzungen mehr, aber eine Reihe von Delegationsreisen. Ich war von Sonntag bis Donnerstag in Indien und habe gemeinsam mit einer 6-köpfigen Delegation des Unterausschusses für Sicherheit und Verteidigung eine Reihe interessanter Gespräche in Neu Delhi und Mumbai geführt. Auf X habe ich auch ein paar Eindrücke geteilt:
Meeting India’s Foreign Minister Jaishankar
Zum Europäischen Rat Ende der letzten Woche habe ich eine Pressemitteilung herausgegeben und mich insbesondere mit der Aufnahme von Beitrittsgesprächen mit der Ukraine und Moldau befasst.
Und zu den nun anstehenden Feiertagen habe ich ein paar Jahresendgedanken zu Papier gebracht.
Zum fünfzehnten Mal, seit ich dem Europäischen Parlament angehöre, neigt sich ein Jahr dem Ende zu.
Was für ein Jahr das war! Ein annus horribilis, ein schreckliches Jahr, bin ich versucht zu sagen. Aber ist es denn wahrscheinlich, dass die Krisen und Gefahren kleiner werden im kommenden Jahr und in denen danach? Und kann man, wenn 2023 vielleicht gar nicht mehr hervorstechen wird, den alten lateinischen Ausdruck noch nutzen, der ja das Besondere bezeichnen will?
Die Krisenvielfalt, mit der wir konfrontiert sind, schafft Verwirrung, Unsicherheit, Orientierungsverlust und Atemlosigkeit.
Wir brauchen so viele Veränderungen und Reformen, um eine Chance zu haben, der Herausforderungen Herr zu werden, aber gibt es dafür angesichts von so viel Destabilisierung die Bereitschaft? Oder, besser gefragt, haben wir die richtigen Ansätze gefunden, um für angemessene Veränderungen zu werben? Liegt es nicht oft genug an uns selbst, wenn wir nicht überzeugen? Hören wir genug zu, bevor wir reden? Vertreten wir eine einladende Mitmach-Transformation oder vergessen wir zu häufig die Kraft der Bürgerlnnen-Gesellschaft?
Ich halte mich gegen das Mutloswerden gerne an einen Rat von Antonio Gramsci, der dem Pessimismus der Vernunft den Optimismus des Willens gegenüberstellte. Oder ich erinnere mich an den beharrlichen, selbstbewussten, nicht klein zu kriegenden Fatalismus des Hong Konger Demokraten Martin Lee, der mir mit Blick auf die Unterdrückungspolitik in seiner Stadt einmal sagte: “I just soldier on.” So viele Menschen weltweit kämpfen unter weit schwierigeren, gefährlicheren Bedingungen als wir Europäerlnnen jeden Tag um etwas mehr Humanität und Ordnung und Gerechtigkeit und Hoffnung. Wir haben nicht das Recht, klein beizugeben. Noch kein Fortschritt ergab sich von alleine. Eine bessere Welt ist möglich.
Leitsterne, an denen wir uns ausrichten können, sind das Eintreten für Menschenrechte, Demokratie und Nachhaltigkeit. Diese sind überall unter Druck, werden angefochten und verweigert. Wir können, weil wir Demokratie genießen, froh sein. Wir haben deswegen zugleich die Verantwortung, uns für sie und ihre ständige Erneuerung einzusetzen. Wer nicht aktiv für Demokratie eintritt, riskiert sie zu verlieren.
2024 wird wieder eine Europawahl stattfinden, am 9. Juni. Das ist eine gute Gelegenheit zur Neubestimmung der demokratischen Prioritäten, der sozialen, ökologischen, klimapolitischen, kulturellen und wirtschaftlichen Ziele in unserer Europäischen Union. Eine gute Chance dafür, den Ewiggestrigen, den Hetzern und Hassern, eine Absage zu erteilen. Machen Sie mit! Gehen Sie zur Wahl und motivieren Sie auch Bekannte, Freunde und Verwandte.
Ich werde 2024 nicht wieder zur Wahl antreten. Für mich geht eine sehr aufregende und fruchtbare Zeit im Europäischen Parlament zu Ende. Aber in Maßen aktiv bleiben will ich. Und die Leitsterne bleiben die gleichen.
Ich wünsche ein gutes Neues Jahr 2024! Und Freude am Engagement!
Mit herzlichen Grüßen
Reinhard Bütikofer