Merkels Abschiedsbesuch in Washington | PRESSEMITTEILUNG

Zum Besuch von Bundeskanzlerin Merkel in Washington meint Reinhard Bütikofer, transatlantischer Sprecher der Grünen/EFA-Fraktion im Europäischen Parlament:

„Der Abschiedsbesuch der Bundeskanzlerin in Washington wird einen faden Geschmack hinterlassen.

Als Oppositionsführerin noch hatte Frau Merkel es für richtig gehalten, die Irak-Invasion der Regierung Bush von Washington aus gegen die eigene Regierung zu unterstützen. Als Bundeskanzlerin hatte sie dann zusammen mit George W. Bush versucht, Initiativen zur Verstärkung der transatlantischen Handelsbeziehungen voranzutreiben. Präsident Obama ehrte sie mit der „Presidential Medal of Freedom“. Ihr Verhältnis zu Präsident Trump war denkbar schlecht, doch sie wurde dafür bewundert, wie sie gemeinsame Werteorientierungen der transatlantischen Partner gegen diesen Berserker im Weißen Haus mit Geduld und Leidenschaft verteidigte. Nun zum Abschied repräsentiert sie eine eigentümliche Zurückhaltung gegenüber dem Versuch von Präsident Biden, der transatlantischen Beziehung neues Leben einzuhauchen.

Der Kern der Verständigungsschwierigkeit zwischen dem Washington von Präsident Biden und dem Kanzleramt von Angela Merkel betrifft den Umgang mit den stärker werdenden autoritären Regimes von China und Russland. Beispielhaft stehen dafür Merkels unbedingtes Festhalten an der Gaspipeline Nord Stream 2 und ihr rücksichtsloses Eintreten für ein Investitionsabkommen zwischen der EU und China, mit dem Peking offenkundig einen Keil zwischen Europa und die USA treiben will. Frau Merkel reist nach Washington als Vertreterin eines europäischen Defätismus, der sich nicht zutraut, in der systemischen Rivalität zwischen Demokratie und Autoritarismus eine klare Kante zu zeigen.

Frau Merkels Haltung ist in Europa nicht ganz isoliert, aber sie prägt die Entwicklung nicht. Die Zeit geht über diese Haltung hinweg. Dem Build Back Better-Präsidenten Biden steht zunehmend ein Build Back Better-Europa gegenüber, das neuen Gestaltungs-Ehrgeiz entwickelt. Frau Merkel ist dafür zu müde geworden. Es ist gut, dass sie ihren Abschied nimmt.“