Auf Einladung der Körber-Stiftung nahm ich am 169. Bergedorfer Gespräch teil, das im Capital Museum in Beijing stattfand. Teilnehmer und Teilnehmerinnen, vor allem aus Deutschland und China, aber auch aus weiteren europäischen und asiatischen Ländern diskutierten einen breiten Strauß von Themen. An einer Diskussion nahm auch Bundespräsident Steinmeier teil, der sich gerade zu einem Staatsbesuch in China aufhielt. Diskutiert wurden allgemeine Fragen der internationalen Ordnung und insbesondere des amerikanisch-chinesischen Konfliktes, handels- und investitionspolitische Fragen, Fragen der Sicherheitspolitik, einschließlich der Themen Südchinesisches Meer, Terrorismus, Xinjiang. Mitveranstalter des Gesprächs war übrigens die internationale Abteilung des ZK der KP Chinas. Übermäßig viel Konsens gab es nicht, aber ein deutlicher, in Teilen sehr deutlicher, Meinungsaustausch war es doch. Daneben hatte ich noch eine Reihe zusätzlicher privat organisierter Termine.
Meines Erachtens war in vielen Diskussion spürbar, dass Chinas Führung sich unter massiven Druck aus den USA darum bemüht Europa für mehr Gemeinsamkeit zu gewinnen, dabei aber substantielle Zugeständnisse zu vermeiden. Für die europäische Chinapolitik ergibt sich daraus eine Chance wie eine Gefahr. Die Gefahr liegt darin, dass Europa angesichts des auf längere Dauer angelegten amerikanisch-chinesischen Konfliktes massiv unter Druck geraten und in Mitleidenschaft gezogen wird. Die Chance liegt darin, dass Europa die Lage nutzen könnte um proaktiv eine eigene Chinapolitik zu entwickeln, die gegenüber China konsequent auf Veränderungen drängt, durchaus mit Nachdruck, ohne sich dabei der US-amerikanischen Konfrontationsstrategie unterzuordnen. Deutschland müsste dabei, meines Erachtens, eine führende, aber eben eine europäische Rolle spielen. Ob irgendjemand in Berlin dafür gegenwärtig Zeit hat?
In China scheint Staats- und Parteichef Xi Jinping zugleich sicher im Sattel zu sitzen und auf große Unzufriedenheit zu stoßen. Viele erfahrene Stimmen warnen vor erheblichen wirtschaftlichen Einbußen als Folge des Handelskrieges mit den USA. Vermehrt gibt es Gerüchte über Kritik aus den Reihen der Familien ehemaliger Anführer der chinesischen Revolution, die heute weitgehend das Land besitzen. Doch ist undeutlich, ob dabei eher für eine Rückkehr zum Kurs von Deng Xiaoping oder eher für noch mehr Nationalismus geworben wird.
Für alle diejenigen denen dabei die Lage der Menschen in China nicht egal ist gibt es gegenwärtig wohl vor allem vier Anknüpfungspunkte: Die Errichtung eines totalitären Polizeistaates in der autonomen Regierung Xinjiang; das Engagement von Arbeitern und Studenten für unabhängige Gewerkschaften; der Kampf um den Schutz geistigen Eigentums; die exorbitant hohen Preise für Medikamente.
Ich habe am Rande meines Besuches auch mit einem Vizeminister der internationalen Abteilung des ZK der KP Chinas darüber gesprochen, ob der Parteiendialog den es von 2010 – 2012 zwischen der KP Chinas auf der einen Seite und EVP/S&D/ALDE/GUE/Grünen auf der anderen Seite gegeben hatte wiederbelebt werden soll. Wenn es dazu käme würde das kaum vor Anfang 2020 stattfinden.