In der Vergangenheit landeten 56% aller Plastikabfälle weltweit am Ende via Schiff in China. 2016 hat die Volksrepublik ca. 7,3 Millionen Tonnen Plastikmüll eingeführt. Allein aus der Bundesrepublik waren es mehr als eine halbe Million Tonnen Plastikabfälle. Die EU insgesamt exportierte bisher 87% aller Plastikabfälle nach China. Seien wir ehrlich: das war eine ziemlich billige Methode, sich der Probleme mit dem ständig wachsenden Plastikmüll zu entledigen. Jetzt hat China die Tür für 24 verschiedene Recyclingmaterialien zugemacht. Seit dem 1. Januar 2018 dürfen sie nicht mehr dorthin exportiert werden. Begründung: der Müll sei zu dreckig und zu gefährlich.
Ich finde das großartig, weil dadurch in einer Zeit, in der mehr Bürgerinnen und Bürger auf die vielfältigen Probleme aufmerksam werden, die der Plastikmüll verursacht, ein zusätzlicher Handlungsdruck geschaffen wird, der dazu beitragen kann, dass endlich wirksame Maßnahmen ergriffen werden.
37 Kilo Plastikmüll fallen nach einer Studie des Kölner Deutschen Instituts für Wirtschaft im Durchschnitt pro Kopf im Jahr an. In den vergangenen zehn Jahren stieg der Pro-Kopf-Verbrauch von Plastik um 30%. Bisher wird nur knapp die Hälfte davon recycelt, der Rest verbrannt oder eben exportiert. In Europa steht Deutschland beim Plastikmüll auf einem „stolzen“ 4. Platz. Plastiktüten sind hier so beliebt wie sonst nur noch in Irland und Estland. Allzulange galt das berühmte Prinzip: aus den Augen, aus dem Sinn. Doch seit uns immer mehr Bilder davon erreichen, wie Plastik in dramatischem Ausmaß unsere Meere vermüllt, reagiert die Öffentlichkeit zunehmend sensibel. Das ist ja auch eine Horrorvorstellung, dass 2050, wenn sich an der Meeresverschmutzung durch Einwegkunststoffe usw. nichts ändert, mehr Plastik im Meer zu finden sein würde als Fisch. Weil Menschen nicht wollen, dass sich Vögel, Schildkröten und andere Meerestiere in Plastiktüten und alten Fischereinetzen verhangen, weil sie kein Mikroplastik im Meersalz finden wollen, deshalb gibt es Druck in Richtung Recycling und Vermeidung.
Darauf hat nun die Europäische Kommission mit einer Plastikstrategie reagiert, die zum ersten Mal alle Aspekte des Umgangs mit dem Kunststoff von der Rohstoffgewinnung bis zur Abfallentsorgung anspricht. Es werden auch alle Akteure in den Blick genommen, die mit Kunststoff zu tun haben. Von den Umweltverbänden hat die Kommission für ihre Initiative überwiegend Lob einsammeln können. Es ist zu begrüßen, dass noch dieses Jahr neue Regeln geschaffen werden sollen zur Vermeidung von Gegenständen aus Plastik, die nur einmal benutzt werden. Oder dass Hafenstädte dazu gezwungen werden sollen, Anlagen zur Müllentsorgung bereit zu stellen. Dass zur Unterstützung von Recycling-Kunststoff verlässlichere Qualitätsstandards geschaffen werden, die bereits beim richtigen Design der Ursprungsprodukte ansetzen. Dass bis 2030 alle Plastikverpackungen in der EU recyclingfähig oder mehrmals verwendbar sein sollen. Dass mehr Abfälle getrennt gesammelt und die Kapazitäten zum Recycling in der EU ausgebaut werden sollen. Dass chemische Substanzen, die Kunststoffen zugesetzt und Recycling verhindern, ersetzt werden sollen. Die Kommission geht davon aus, dass durch alle diese Schritte bis 2030 etwa 200.000 neue Arbeitsplätze in der Abfallindustrie geschaffen werden können.
Die Kunststoffstrategie hat natürlich auch Schwächen. Es bleibt völlig offen, wie Länder, die bisher kaum oder wenig Kunststoffrecycling betreiben, die ambitionierten Ziele erreichen sollen. Der Meeresschutz kommt zu kurz, denn ein anspruchsvolles Minderungsziel der EU für den Plastikeintrag in die Meere fehlt. Auch ist die Kommission nicht auf der Höhe ihrer eigenen früheren Zusagen zum Vorgehen gegen Plastiktüten. Die versprochenen Regelungen lassen zum Teil seit 20 Monaten auf sich warten. Und es gibt keine konkreten Verpflichtungen, wie gefährliche chemische Stoffe aus Plastik herausgehalten werden. Eigentlich sollte die Politik einem einfachen Slogan folgen: Giftstoffe raus, dann reduzieren, wieder benutzen und recyceln. Aber den ersten Teil vergisst die Kommission.
Interessant ist, dass Kommissar Oettinger, der gerade verzweifelt nach Mitteln sucht, mit denen er die drohenden Haushaltslöcher in künftigen EU-Haushalten stopfen könnte, nun mit der Idee aufgefallen ist, eine Plastiksteuer einzuführen. Mit seinen Kollegen in der Kommission hat Oettinger das nicht koordiniert. Und es ist nicht klar, ob die Kommission insgesamt ihn dabei unterstützt. Auch gibt es zum Teil ökologische Kritik an dieser Idee, weil befürchtet wird, die Wirtschaft und die Verbraucher würden teilweise auf Materialien ausweichen, die eine schlechtere Ökobilanz als Kunststoffe haben. Immerhin, die Debatte trägt dazu bei, dass bei all den schönen Zielen nicht vergessen wird, dass es darauf ankommt, mit welchen Maßnahmen und Mitteln dafür gesorgt werden kann, dass sie auch realisiert werden. Das Umweltbundesamt hat darauf deutlich hingewiesen. Der Erfolg der Plastikstrategie, so heißt es von dort, hänge „sehr stark von der praktischen Umsetzung der Plastikstrategie ab. Und hier fehlen leider an zu vielen Stellen griffige Vorschläge. Mir ist das zu zahnlos. Konkrete Maßnahmenvorschläge der Kommission selbst, die wirklich sicherstellen, dass weniger Kunststoff in die Umwelt kommt, sind kaum enthalten.“ So Maria Krautzberger, die Präsidentin des Umweltbundesamtes.
An der Stelle kommt nun grüne Politik, grüne Bewegung und grüne Mobilisierung ins Spiel. Ob genug Druck entsteht in die richtige Richtung, das liegt auch an uns Grünen. Deshalb sollten wir die Chance ergreifen, hier in einem politisch vorteilhaften Umfeld zu demonstrieren, wie grüne Politik wirkt.
Die Europäischen Grünen haben bei ihrem letzten Council-Meeting im November in Schweden mit Zustimmung der Delegierten der verschiedenen Mitgliedsparteien dazu aufgerufen, im kommenden September europaweit Aktionstage zum Vorgehen gegen Plastikvermüllung zu organisieren. Anlass dazu bieten der international seit vielen Jahren begangene Coastal Clean-up Day, an dem Naturschützer weltweit durch Aktionen an vielen Stränden deutlich machen, wie notwendig es ist, gegen Plastikmüll aktiv zu werden. Dazu kommt am 28. September der 70. Jahrestag der Gründung der International Maritime Organisation, die sich u.a. um Ökologie der Meere kümmert. Ich glaube, dass wäre eine prima Gelegenheit, in Kooperation mit vielen Natur- und Umweltschützern sichtbare Zeichen zu setzen. Und bis dahin werden, da bin ich sicher, unsere Abgeordneten in allen Parlamenten, in denen wir vertreten sind, die Vorlage der EU-Kommission mit ihrer Kunststoffstrategie aufgreifen, um die Dinge voran zu treiben.
Ich freu mich drauf.
Sonst noch
- Die Plastikstrategie selbst ist hier zu finden.
- Am 16. Januar konnte ich abends im EU-Parlament kurz zum Thema Nachhaltigkeit und Handel sprechen. Das Video kann man sich hier anschauen.
- Die ersten Plenarnotizen in diesem Jahr. Thema der Woche war Energiepolitik.
- Als 1. europäischer Regierungschef sprach am Mittwoch, den 17. Januar, der irische Premier Varadkar im Europäische Parlament über seine Vorstellungen zur Zukunft der Europäischen Union. Andere Rednerinnen und Redner sollen folgen, Macron möglicherweise im April und Merkel im Mai.
- Wer immer noch nicht richtig im neuen Jahr angekommen ist, kann hier meine Neujahrsüberlegungen nachhören.
- Initiative von NABU und WWF: Aufforderung an Merkel, Seehofer und Schulz, Nord Stream 2 zu stoppen. Hier könnt ihr sie mit einer Protest-Mail unterstützen.