#68 Bütis Woche: Trump verachten ist leicht, Trump besiegen nicht

Präsident Trump hat bei seiner ersten Europa-Reise alle seine Gesprächspartner, anders als vorher in Saudi-Arabien, vor den Kopf gestoßen. Man kann spekulieren, in wie vielen europäischen Länder er derzeit auf mehr als fünf Prozent kommen würde. In den USA dagegen hat er anscheinend trotz aller Skandale, aller Kapriolen und massiver Kritik nach wie vor starken Rückhalt bei denen, die ihn ins Amt gebracht haben. Wie kann man das verstehen?

Was viele Beobachter von Anfang an nicht richtig verstanden bzw. woran sie nicht wirklich interessiert waren, war die Tatsache, dass es Trump gelang, tiefer Verbitterung und sogar Hass gegenüber den bedrückenden Realitäten im Leben vieler US-Amerikaner eine Stimme zu geben. Für Millionen von Amerikanern hat sich das Leben in den letzten Jahrzehnten nicht verbessert, und sie fühlen sich betrogen von ihren Eliten. Natürlich ist Trump selbst elitär, aber er hat es geschafft, sich als den einzigen Vertreter darzustellen, der gewillt war, diesen Menschen zuzuhören; er hat eine Sprache benutzt, die sie verstanden haben, und ihren Sorgen Ausdruck verliehen. Deren Ressentiments auch. Auf der anderen Seite kam Hillary Clinton so daher, als wolle sie sich über das Empfinden derer, die auf der Schattenseite leben, arrogant erheben. Sie sprach von den Trump-Wählern als von den ”Bemitleidenswerten”. Man kann nur spekulieren, wie viele Stimmen ihm das gebracht hat. Die New York Times, Zentralorgan der Trump-Kritik und zusammen mit der Washington Post derzeit unerlässlicher Garant der Rolle der Vierten Gewalt gegenüber Trump, seinen Skandalen und seinen autoritären Tendenzen, muss sich trotzdem vorhalten lassen, dass sie in ihrer Berichterstattung die Welt seiner Wähler erst zu entdecken begann, als Trump schon gewonnen hatte.

Ist Trump ein vorübergehendes Phänomen?

Nun, Trump wird nicht für immer Präsident bleiben, aber die zugrundeliegenden Entwicklungen sind nicht auf seine Persönlichkeit beschränkt. Es wird nötig sein, sich mit dem, was er repräsentiert, tatsächlich auseinanderzusetzen, obwohl man hasst, das er es repräsentiert. So lange es den progressiven Kräften in den USA nicht gelingt, den notwendigen Wandel zu verkörpern, werden sie weiterhin verlieren. Außerdem denke ich, dass Trump hinsichtlich der internationalen Politik Entwicklungen eine Stimme verleiht, die sich so bereits seit einiger Zeit abzeichnen. Der Wunsch, sich von internationalen Fragen und Problemen zurückzuziehen, ist weit verbreitet, und wenn man sehr sorgfältig hinhörte, konnte man ähnliche Stimmungslagen in Reden Obamas repräsentiert finden. Das können wir nicht auf die leichte Schulter nehmen. Die USA sind in einer tiefen gesellschaftlichen Krise, und international sind sie dabei, sich von der Rolle des hegemonialen Garanten der etablierten Ordnung zurückzuziehen.

Hunderttausende Menschen haben gegen Trumps Einwanderungsgesetz protestiert und viele mehr sind nach seiner Amtseinführung auf die Straße gegangen. Wie können wir mit der Opposition in den USA kooperieren?

Es gibt diese populären Bewegungen, aber die Demokraten haben sich bisher nicht von ihrer Niederlage erholt, am wenigsten die Demokraten in Washington. Als ich Anfang April dort war, war ich erschrocken, wie unbeholfen und orientierungslos die demokratische Opposition ist. Trotzdem: Die amerikanische Realität ist natürlich von Trump und seinem Lager nur zum Teil abgebildet; schließlich hatte er insgesamt weniger Stimmen als Hillary Clinton. Es gibt den großen Bundesstaat Kalifornien, wo die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung progressiv denkt, aktiv eine ambitionierte Klimapolitik unterstützt, in keiner Weise Trumps Anti-Migrations-Haltung billigt und so weiter. Vielleicht lohnt es sich, den Fokus bei der Suche nach US-amerikanischen Partnern eine Weile nicht auf Washington, D.C., zu legen, sondern eher in den Hauptstädten der Bundesstaaten und den großen Metropolen nach Gleichgesinnten zu suchen, bei Bürgermeistern etwa, die progressive Politik machen.

Die Liste der Republikaner und Konservativen, die ihre Opposition zu Donald Trump angekündigt haben, wird länger und länger. Was können sie tun, um ihn zu mäßigen?

Meiner Meinung nach tun sie sehr wenig, und ich glaube nicht, dass es noch mehr wird. Es gibt lediglich zwei Senatoren, McCain und Graham, die sich öfter gegen Trumps außenpolitisches Vorgehen aussprechen. Aber der führende Senator Corker hat ihn gerade für seine katastrophale Europa-Reise gelobt. Es ist nicht absehbar, dass der Kongress ihn wirklich einhegen kann. Selbst die sogenannten ”Erwachsenen”, auf deren heilsame Wirkung in Trumps Kabinett viele gehofft hatten, General Mattis, General McMasters, General Kelly, Minister Tillerson, scheinen eher von Trump gezähmt zu werden als er von ihnen. Ich würde mein Geld nicht darauf setzen, dass die Republikaner Trump irgendwann aus dem Amt drängen. Immerhin hat er ihnen die Kontrolle über alle Ebenen der Regierung, beide Häuser des Kongresses, die Judikative und den Supreme Court gegeben.

Theodore Roosevelt Malloch war angeblich Trumps Favorit bei der Besetzung des Botschafterpostens bei der Europäischen Union. Er sagte in einem Interview mit der Associated Press, dass die EU „gezähmt werden müsse“, und dass er bilaterale Verhandlungen mit europäischen Ländern bevorzugen würde. Was können wir erwarten?

Dieser Herr Malloch ist von Trumps Team inzwischen aus dem Rennen genommen worden. Man weiß nicht, ob er ihnen zu peinlich wurde oder ob er einfach nur ein Wichtigtuer war, der sich selbst ins Spiel bringen wollte. Ohnehin sollten wir vor allem auf die Agenda schauen, die im Weißen Haus und in den Korridoren des Kapitols formuliert wird. Da spielt die Musik. Diese Musik besteht vor allem aus Misstönen. Wie hatten sich NATO und EU Mühe gegeben, Trump vor seinem Europa-Besuch versöhnlich zu stimmen. Er hat das mit lauter Provokationen vergolten. Man kann das noch nicht einmal antieuropäisch nennen, denn das würde unterstellen, dass ihm Europa wenigstens so viel wert wäre, dass er es einer Gegnerschaft würdigt. Tatsächlich scheint es eher so zu sein, als behandele er uns Europäer wie viele andere auch, international und im eigenen Land, nach dem Motto: „Wer nicht klar für mich ist, auf den nehme ich keine Rücksicht.‘‘

Einige Analysten stellten fest, dass das vielleicht größte Geschenk von Trump an China das Versenken der Clean Energy Initiative der Obama-Administration und seine Kommentare zum Pariser Klimaabkommen sind. Indem er die Uhr im Kampf gegen den Klimawandel zurückgestellt hat und einigen Klimaleugnern wichtige Ämter gegeben hat, hat Trump China die Tür geöffnet, weltweit führend in den Grünen Technologien (wo viele neue Jobs geschaffen werden können) und in den internationalen Bestrebungen gegen den Klimawandel zu werden. Wie siehst Du das?

In Anbetracht dessen, wie sehr er sich im Wahlkampf als größter aller China-Kritiker aufführte, ist die Liste der Geschenke an China schon recht lang.
Er hat dem Vorsitzenden der Kommunistischen Partei Chinas etwa die Möglichkeit gegeben, sich als Held des internationalen Handels zu gerieren; in Davos konnte man das sehen. Im asiatisch-pazifischen Raum werden die USA insgesamt deutlich schwächer. Doch im Hinblick auf die Klimapolitik sollten wir Trumps Bluff zurückweisen. So wie es sechs G7-Staaten gerade in Taormina taten. Trump kann die Klimapolitik in den USA massiv behindern, aber international wird die Karawane weiterziehen, auch wenn er sie noch so sehr verbellt. Ich würde sagen, selbst in den USA kann er die Uhr nicht komplett zurückdrehen. Erneuerbare Energien zum Beispiel sind auch in wirtschaftlicher Hinsicht Alternativen als fossile Brennstoffe. Das Problem ist, dass Trump den Fortschritt verlangsamen kann. Aber wir können mit Staaten wie New York oder anderen im Nordosten oder mit Kalifornien kooperieren, mit Staaten, die bereits ihre eigene Klimapolitik gesetzt haben und die Trump da nicht folgen werden. Fortschritte Chinas in Sachen Klimapolitik sollten wir übrigens keineswegs bedauern, denn das Land ist der größte CO2-Emittent der Welt. Also hoffentlich tun sie, so viel sie können.

Welche Rolle könnte die Europäische Union in dieser komplexen internationalen Lage einnehmen?

Offensichtlich muss die EU auf eigenen Füßen stehen und gemeinsam handeln. Wir sagen das bereits seit langem. Noch immer und schon viel zu lange wird so getan, als wäre dies nur eine schöne theoretische Idee. Es muss aber dringlich zur Praxis werden. Das hat nach ein paar Tagen Intensiv-Kontakt mit Trump inzwischen auch die Kanzlerin in bemerkenswerter Klarheit zum Ausdruck gebracht. Die EU Global Strategy, die die EU-Außenministerin Mogherini, die Kommission und der Rat entwickelten und die das Parlament unterstützte, ist nur ein Anfang, mehr Philosophie als Strategie. Es gibt übrigens nicht nur aus Washington zusätzlichen Druck auf die EU. Wir spüren den Druck aus Russland, der Türkei, von China und anderswoher. Bei der Weiterentwicklung der EU müssen deswegen die außenpolitische Dimension und die Sicherheitspolitik eine zentrale Rolle spielen.

Trumps Besuch in Brüssel hat viele Fragen offengelassen. Es wäre einfacher, die paar Punkte aufzuzählen, bei denen man sich einig ist, als die vielen, wo das nicht der Fall ist. Konflikte gibt es u.a. beim Klima, im Handel und bei den Ausgaben der NATO-Partner für Rüstung und Militär. Was bedeutet dieser Besuch für die weiteren Beziehungen zwischen den USA und der EU?

Am Anfang des Besuches versuchten die Europäer noch Trump zu besänftigen, ihn gnädig zu stimmen, seinem Zorn zu entgehen, indem sie ihm Siege zuschanzten. Das hat nicht funktioniert. Am Ende der Reise hatte sich die Haltung der Europäer in ernüchternder Weise verschoben – man verabschiedete eine G7-Erklärung, in der man ihn zum Thema Klimapolitik mit einer 6:1-Mehrheit ins Eck stellte, wohl in der Erwartung, er werde demnächst den Ausstieg der USA aus dem Pariser Klimaabkommen ankündigen. Äußerungen von Präsident Macron und Kanzlerin Merkel signalisieren ebenfalls einen Wechsel in der Tonart, von Moll auf Dur. Das hat Frau Merkel schon richtig gesagt: „Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass wir Europäer uns auf die USA nicht weiterhin wie bisher verlassen können.“ Die Implikationen dieser Einsicht sind schwierig zu ermessen, und von der Analyse bis zu einer angemessenen Antwort wird es ein langer, beschwerlicher Weg.

Trump manipuliert meisterhaft, als der Geschäftsmann, der er nun mal ist, den öffentlichen Diskurs durch die Kunst der Ablenkung. Wo liegen dabei die Gefahren?

Er versteht in der Tat die Kunst der Ablenkung. Die Öffentlichkeit regt sich über einige seiner dummen Tweets auf oder über die höfischen Verhältnisse im Weißen Haus, und kommt dann gar nicht mehr richtig dazu, all den Veränderungen zu Lasten von Arbeitnehmern, Verbrauchern und Umwelt auf die Schliche zu kommen, die er in Gang setzt. Ich denke, es ist die Pflicht der politischen Opposition und der Medien, dem etwas entgegenzusetzen. Das würde wahrscheinlich einen anderen Ansatz der Opposition in den USA erfordern. Wenn man sich die Umfragewerte anschaut, dann hat Trump die niedrigsten Zustimmungswerte, seitdem so etwas gemessen wird. Die Zufriedenheit unter denen, die ihn gewählt haben, ist dagegen nach wie vor sehr hoch. So hoch, dass es für anders denkende Republikaner zu riskant wäre, ihm von der Fahne zu gehen. Solange sein Lager so stabil ist, müssen wir uns auf allerhand gefasst machen. Liberale und progressive Kräfte sollten sich daher nun fragen, wie sie die Wähler im Mittleren Westen, in den Mountain States und aus dem Süden zurückgewinnen können, die sie an Trump verloren haben. Vielleicht braucht es dafür im demokratischen Lager erst eine neue politische Generation. Nicht wenige sagen: Es muss eine Revolution im progressiven Lager geben, um die Revolution erfolgreich zu bekämpfen, die Trump darstellt.