Zum europapolitischen Teil der Koalitionsvereinbarung zwischen CDU, CSU und SPD eine Einschätzung von Reinhard Bütikofer, Europaabgeordneter und Vorsitzender der Europäischen Grünen Partei (EGP):
“Der europapolitische Teil der Koalitionsvereinbarung kommt hochtönend daher, verspricht aber tatsächlich mehr „Weiter so“ als „Aufbruch“. So wird weiterhin vollständig ignoriert, wie zentral eine ökologische Transformation in Europas Gesellschaft und Wirtschaft wäre. Aus den allgemeinen Zielen der Europapolitik wird Nachhaltigkeit konsequent ausgespart, bei den Ausführungen zu künftiger Wettbewerbsfähigkeit und Investitionen spielt sie keine Rolle. Ebenso bemerkenswert ist, dass die Menschrechtspolitik im Europatext nur eine kraftlose Nebenbemerkung wert ist.
In etlichen Punkten ist der Koalitionsvertrag schwächer, als das Sondierungspapier es war. Das gilt z.B. im Bereich des Kampfes gegen Steuerhinterziehung und Steuerflucht, das gilt auch in Bezug auf notwendige Reformen in der Eurozone. In wichtigen außenpolitischen Fragen vermeidet der Koalitionstext Festlegungen und raunt nur, so etwa gegenüber den Weltmächten USA, China, Russland. Die Formulierungen hinsichtlich der Beitrittsperspektiven des Westbalkans zeugen vom Unwillen, sich dieser Aufgabe mit Energie zu stellen.
Stärker noch als schon das Sondierungspapier der Koalitionsparteien signalisiert der Koalitionsvertrag den Willen, ein Zwei-Klassen-Europa zu schaffen, für das die Überschrift „Unterschiedliche Geschwindigkeiten“ noch eine Beschönigung wäre. Nur an einer Stelle enthält der Koalitionsvertrag eine neue, positive Botschaft, das betrifft das deutsch-polnische Verhältnis, dem ein Absatz gewidmet wird.
Insgesamt werden unsere europäischen Partner bei genauer Lektüre feststellen, dass der Kampf für einen aktiven deutschen Beitrag zum Aufbruch Europas in weiten Teilen gegen die große Koalition gewonnen werden muss.”