Nicht verzetteln, NATO!

Zum Auftakt des NATO-Gipfels in Lissabon erklärt Reinhard Bütikofer, sicherheitspolitischer Sprecher der Grünen/EFA im Europäischen Parlament:

“Für die Europäische Union steht “Lissabon” für großen Fortschritt durch einen neuen Vertrag. Dass die in Lissabon zu vereinbarende NATO-Strategie ein vergleichbarer Markstein der Erneuerung wird, ist zu bezweifeln.

Die neue NATO-Strategie ist geprägt von der angestrengten Suche nach neuen Funktionen für eine Allianz, der die Selbstgewissheit abhanden gekommen ist. Die NATO ist in ihren Mitgliedsländern weniger populär, als sie früher war.

Das Gebot der Stunde ist es, das von Russland und den USA im April dieses Jahres unterzeichnete Start Abkommen im US-Senat zu retten und konventionelle Waffen im Rahmen des KSE-Abkommens zu reduzieren. Wird der Lissabon-Gipfel das deutlich genug an die Adresse der US-Republikaner signalisieren? Richtig wäre es auch, die NATO auf das von Präsident Obama unterstützte Ziel von “Global Zero”, also einer Welt ohne Atomwaffen, zu verpflichten. Wird das überhaupt erwähnt werden?

Eine NATO, die Beschäftigung sucht, weil sie Bestimmung verloren hat, nützt nicht. Die NATO hat eine Funktion als auf seine Kernaufgaben konzentrierter Teil einer größeren, insgesamt der UN-Charta verpflichteten euro-atlantischen Sicherheitsarchitektur, die mit EU und OSZE eine vernünftige Arbeitsteilung sucht. Die NATO darf nicht der Phantasie nachlaufen, selbst der Dreh- und Angelpunkt globaler Sicherheit zu sein. Sie muss Sicherheits-Partnerschaften viel größer schreiben, nicht nur mit Russland.

Die NATO muss ihre inneren Spannungen angehen. Die Diskussion über die Ausweitung des Bündnisfalls (Artikel 5) auf Hacker-Angriffe ist dagegen absurd. Auch hochrangige Nato-Vertreter geben zu, dass eine Definition, wann Artikel 5 in solch einem Falle greifen müsste, kaum möglich ist. Dabei liegt die Zuständigkeit für Cyber-Angriffe in den 27 Mitgliedsstaaten längst bei Innenministern und Polizei. Durch diese NATO-Schein-Modernisierung entsteht nicht mehr Sicherheit. Auch in der Frage der Raketen-Abwehr befindet sich die NATO auf dem Holzweg. Es ist fahrlässig, wenn der NATO-Generalsekretär mit völlig unernsthaften Kostenangaben für die Raketen-Abwehr wirbt, während seine Planer über generell schrumpfende Militärausgaben klagen. Anstatt die nukleare und konventionelle Abrüstung zum obersten Ziel gemeinsamer Anstrengung zu machen, stolpert die NATO in  finanziell und politisch unkalkulierbare Risiken.

Bescheidenheit stünde der NATO besser zu Gesicht.”

Unter diesem Link finden Sie das Positionspapier der Arbeitsgruppe Sicherheit und Verteidigung der Grünen/EFA im Europäischen Parlament.


Foto: “A stack of papers”, via flickr.com/DARB62, lizensiert unter Creative Commons BY-SA-2.0